Von der reichsten Kommune NRWs zum Sanierungsfall: Monheim steht vor einem Schuldenberg. Im Interview verrät die neue Bürgermeisterin Sonja Wienecke, warum sie dennoch positiv nach vorne blickt.
Sonja Wienecke (44) ist zur neuen Bürgermeisterin von Monheim am Rhein gewählt worden. Die parteilose Verwaltungsfachfrau wird im Rathaus mit enormen finanziellen Herausforderungen konfrontiert sein. Frank Überall hat mit ihr darüber gesprochen, wie sie das meistern will.
Ihre Stadt Monheim am Rhein hatte mal den Ruf, die reichste Kommune in Nordrhein-Westfalen zu sein, jetzt ist sie hoch verschuldet. Was ist da passiert?
Das ist richtig. Monheim ist leider für seinen Gigantismus bekanntgeworden. Bundesweit wurde über uns berichtet wegen der besonderen Projekte in unserer Stadt. Es ist der Eindruck entstanden, dass wir uns das leisten können, weil wir unheimlich hohe Gewerbesteuererträge hatten. Und obwohl diese weggebrochen sind, hat die jetzt abgewählte Stadtspitze weiter fleißig in gigantische Projekte investiert.
Sie haben den landesweit niedrigsten Gewerbesteuersatz, das hat viele Unternehmen angelockt und somit enormes Geld in die Stadtkasse gespült. 2013 wurde sogar eine Sondermünze geprägt, um zu feiern, dass Monheim schuldenfrei ist. Haben Sie selbst eine solche Münze?
Nein, leider nicht. Aber wir Monheimer waren damals tatsächlich sehr stolz, dass es uns gelungen ist, schuldenfrei zu sein.
Nun ist das Gegenteil der Fall, Sie werden als neue Bürgermeisterin einen hohen Schuldenberg abzubauen haben. Warum tun Sie sich das an?
Ich habe mein gesamtes Leben in dieser Stadt verbracht und insofern den Aufstieg von Monheim hautnah miterlebt. Aber die bisherige Mehrheit im Stadtrat hat an vielen Stellen das Geld für Prestigeprojekte wie einen Geysir ausgegeben. Zukünftig soll Geld für Vorhaben investiert werden, die für die Monheimer Bürgerinnen und Bürger sinnvoll sind. Das hat dazu geführt, dass wir als Stadt mit unseren Tochterfirmen jetzt perspektivisch bis zum Jahr 2028 mit rund 1,8 Milliarden verschuldet sein werden.
Die Stadtkasse ist also nicht nur leer, sondern erheblich im Minus?
Ja. Es besteht ein Haushaltssicherungskonzept, den Ausgaben sind enge Grenzen gesetzt. Dass Monheims Finanzsituation bedrohlich ist, spüre auch ich als Bürgerin in meinem eigenen Portemonnaie, denn die Grundsteuern sind für uns alle erhöht worden. Ich zahle jetzt das Dreifache wie vorher. Das ärgert mich sehr. Ich wünsche mir, dass auch die nachfolgenden Generationen wie meine Kinder in Monheim am Rhein ohne diese erdrückende Schuldenlast aufwachsen können. Deshalb habe ich kandidiert.
Was hat es denn mit dem erwähnten, teuren Geysir auf sich?
Das ist ein Naturphänomen, das von einem Künstler erschaffen wurde. Wenn er 64 Stunden lang Sonnenenergie aufgenommen hat, sprudelt eine Wasserfontäne heraus. Allerdings auf einem Kreisverkehr, der eigentlich dazu gedacht war, den Verkehr zu beschleunigen. Bei uns ist es aber so, dass durch diesen Geysir auf dem Kreisverkehr künstlich ein Verkehrsstau verursacht wird. Dann müssen Personalkosten investiert werden, damit Menschen aus der Stadtverwaltung dort Bedarfsampeln aufstellen. Also ein unsinniges Projekt an einem sehr ungewöhnlichen Ort. Der Geysir hat es sogar dreimal ins Schwarzbuch der Steuerzahler geschafft.
Andere Projekte haben Sie im Wahlkampf offensiv kritisch benannt und deren Stopp gefordert, etwa den Umbau einer Pyramide für fast 50 Millionen Euro oder die Errichtung einer Marina für zehn Millionen Euro?
Ja, ganz bewusst. Denn wir leben im Moment auf Pump. Da müssen wir schauen, was für die Stadt wirklich wichtig ist. Wir müssen in Bildung und Infrastruktur investieren, aber doch nicht in Projekte, die nicht wirtschaftlich sind oder den Bürgerinnen und Bürgern in Monheim schlicht keinen Nutzen bringen.
Auch Pläne für ein neues Leistungszentrum in Monheim für den Fußball-Erstligisten Bayer 04 Leverkusen sind ziemlich umstritten?
Es ruft breite Ablehnung hervor. Da will die Bayer Fußball GmbH mehr als 22 Hektar bebauen. Wir müssen nun genau hinschauen, welchen Mehrwert das den Menschen in Monheim bringt. Ich kann keinen erkennen. Das Gelände, auf dem gebaut werden soll, ist eine Frischluftschneise, Bayer gehört bereits das Grundstück. Bislang gibt es nur die Option, dort etwa sechs Hektar zu bebauen. Die große Fläche wird hier ja nur gebraucht, weil es keine Alternative in Leverkusen gibt. Es ist auch ein bisschen traurig, dass die Stadt Leverkusen für ihren eigenen Fußballverein keinen Platz hat.
Monheim hat mit seinem besonders niedrigen Gewerbesteuersatz viele Unternehmen angelockt. Sie wollen ihn nicht erhöhen. Macht das bei den hohen Schulden denn Sinn?
Wenn wir die Gewerbesteuer erhöhen, besteht die Gefahr, dass ein Teil der Unternehmen sich möglicherweise umorientiert und zum Beispiel in unsere Nachbarstadt Leverkusen abwandert, die auch einen niedrigen Gewerbesteuersatz hat. Deshalb bin ich der Meinung, wir sollten bei dem niedrigen Gewerbesteuersatz bleiben. Das bietet auch eine Sicherheit für die Unternehmen. Wir haben natürlich das Interesse, weitere Gewerbe hier anzusiedeln, wir wollen keine Abgänge.
Demnächst wird es aber eine Zwangs-Erhöhung geben, weil im Koalitionsvertrag für die Bundesregierung ein höherer Mindestsatz für die Gewerbesteuer vereinbart ist?
Das ist erst einmal gut für Monheim, weil es natürlich einen Mehrertrag im Haushalt bringt. Weil das dann verbindlich auch für die Nachbarkommunen gilt, rechne ich nicht mit Abwanderungseffekten-Effekten. Allerdings ist das in der jetzigen Zeit schon eine Herausforderung für die Unternehmen, weil auch andere Kosten gestiegen sind.
Verzicht auf Prestigeprojekte und etwas mehr Gewerbesteuer wird aber nicht reichen, um den Haushalt zu sanieren?
In der Tat muss da noch an weiteren Stellschrauben gedreht werden. Wir wollen den Busverkehr, Kitas und Ganztagsbetreuung an Schulen weiter kostenlos anbieten. Zuerst müssen wir aber einen Kassensturz machen, unser Haushaltssicherungskonzept überarbeiten und neue Prioritäten setzen.
Was bedeutet das konkret?
Wenn wir künftig neue Projekte initiieren, muss es Wirtschaftlichkeitsberechnungen geben, die vor dem Bau aufzeigen, ob sie einen Mehrertrag im Haushalt bringen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen vorher wissen, was das eine oder andere Projekt kostet und welche Folgekosten auf uns zukommen. Das ist in der Vergangenheit meines Erachtens nicht hinreichend dargestellt worden.
Haben Sie denn als Bürgermeisterin gemeinsam mit dem Rat angesichts der finanziellen Not überhaupt noch Entscheidungsspielraum?
Ja. Es gibt auch Vorhaben, die mit einem kleinen finanziellen Aufwand realisierbar sind. Ältere Menschen wünschen sich beispielsweise Bänke im öffentlichen Raum oder Beschattung an öffentlichen Aufenthaltsorten, wie zum Beispiel in der Innenstadt. Das kostet nicht viel Geld.
Land und Bund drücken den Kommunen immer mehr Aufgaben auf, wollen dafür aber nicht hinreichend bezahlen?
Das ist eine Herausforderung in allen Kommunen, also auch für unsere Stadt Monheim. Zum Beispiel bei den Anforderungen für den Ausbau des offenen Ganztags an Schulen. Bei solchen zusätzlichen Aufgaben wünsche ich mir vom Landesgesetzgeber im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips auch die entsprechende Refinanzierung. Denn wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen!
Was können andere Kommunen von Monheim lernen?
Monheim hat Mut, das macht Monheim aus. Das soll auch in Zukunft so sein. Wir müssen trotz der Herausforderungen entschlossen und zuversichtlich handeln und dürfen nicht in der Entwicklung stagnieren. Es geht jetzt darum, maßvolle und sinnvolle Entscheidungen für die Stadt zu treffen. Wir sind einfach eine besondere Stadt: Am Rhein, weltoffen, mit toller Aufenthaltsqualität. Wir werden jetzt sicher nicht ausschließlich darüber nachdenken, wie es uns gelingen kann, unsere Schulden zurückzuzahlen. Wir müssen einen gesunden politischen Ausgleich schaffen. Dazu gehören Finanzverstand, aber auch Freude an verantwortungsvoller Innovation.
Quelle: Kölnische Rundschau